Neusiedlersee-nicht-austrocknen

Podersdorf, Sommer 2022: wo normalerweise Tretboote fahren und Kinder im Wasser spielen ehebt sich eine mächtige Sandbank. (Foto: H. Siegmund) 

Den Neusiedlersee sich selbst zu überlassen ist verantwortungslos. Lösungen zur Absicherung der Wasserbilanz für kommende heiße Jahre müssen dringend vorbereitet werden.

Der Neusiedlersee ist einzigartiger Lebensraum unzähliger Tierarten und gleichzeitig Wirtschaftsmotor einer gesamten Region.

In den Jahren 2015 bis Anfang 2023 verlor der Neusiedlersee jedes Jahr bis 22cm an Wasserstand und es drohte eine Austrocknung unmittelbar bevorzustehen. Wie die Vorboten einer Apokalypse schockierte das massive Fischsterben im Sommer 2022, bei dem fast der gesamte Zanderbestand ums Leben kam. Gleichsam in letzter Sekunde haben die ungewöhnlich ergiebigen Regenfälle ab April 2023 die Lage entschärft und dem See eine Verschnaufpause gewährt. So ein Jahrhundertregen lässt sich aber nicht beliebig wiederholen.

Die Menschen, die um den See leben, wären am allermeisten betroffen, würde der See verschwinden und sich in eine Staubwüste verwandeln. Es ist nur den allerwenigsten bewusst, wie viele Existenzen und Arbeitsplätze der gesamten Region direkt oder indirekt vom See abhängen. Der Fortbestand des Sees bedeutet auch Zukunftsperspektive für unsere Kinder. Und für die Tiere steht nicht weniger als der Verlust des eigenen Lebensraumes ohne Ausweichmöglichkeit auf dem Spiel. Bei einer potentiellen Austrocknung wäre durch drohende Staubstürme auch die Gesundheit der Bevölkerung ernsthaft gefährdet.

Das „Welterbe Gesetz“ fordert den Erhalt des Sees für künftige Generationen. Künftige Generationen, das sind die Kinder, die hier leben und die eine Perspektive verdienen. Die Region Neusiedlersee könnte ohne See einen nie dagewesenen Abschwung erleiden.

Auch wenn sich der See durch das Regenwunder 2023 momentan erholt hat, müssen Maßnahmen zum Absichern der Wasserbilanz rechtzeitig und mit Weitblick vorbereitet werden.

Als Steppensee gehörten zeitweilige Austrocknungen immer zum Wesen des Neusiedlersees.

Sehr oft hört man daher das Argument, nicht in die Natur einzugreifen. Dabei wird vergessen, dass wir Menschen in den letzten hundert Jahren bereits massiv in das System Neusiedlersee eingegriffen haben. Es wurde seit der letzten Austrocknung 1864–1870 viel verändert.

a) mit Bau des Einserkanals werden Bäche aus dem Einzugsgebiet Neusiedlersee/ Hanság permanent abgeleitet.

b) die Überflutungsflächen des Hanságs als Puffer gibt es nicht mehr

c) das Schilfwachstum wurde durch diesen massiven Eingriff extrem gefördert. Gründe sind das Ableiten der Soda Salze, verringerte Wasserstandsschwankungen sowie Düngereintrag. Mehr Schilf bedeutet auch höhere Verdunstung.

d) Raab, Raabnitz, Moson-Donau, Ikva wurden stark reguliert. Es ist historisch belegt, dass deren Überschwemmungen den See nach einer Austrocknung wieder füllten. Heute wäre das unmöglich.

e) der Klimawandel bewirkt hohe Verdunstung

Nicht-Eingreifen und nur Zusehen wäre sehr verantwortungslos und widerspricht den Naturschutzgesetzen! Nun müsste soweit wie möglich renaturiert werden, d.h. den Auswirkungen obiger Eingriffe entgegen gewirkt werden. Es ist unsere Pflicht, gemäß den Naturschutzgesetzen den Fortbestand des Sees „in Bestand und Wertigkeit“ sicherzustellen.

Vielen ist nicht bewusst, dass der Neusiedlersee nach nur wenigen heißen Verdunstungs-Jahren wie 2021 oder 2022 verschwunden sein könnte. Viel schneller als Gegenmaßnahmen geplant und umgesetzt werden können. Zudem besteht dann die Gefahr, dass der Neusiedlersee möglicherweise nie wiederkehren könnte.

Eine Lösung, die seit Jahrzehnten diskutiert wird, ist eine Wasserzuleitung aus der Donau. Diese Lösung hätte zusätzlich den großen Vorteil, den Grundwasserspiegel des Seewinkels zu unterstützen. Seit Jahren wird an Evaluierung und Planung gearbeitet. Vor kurzem gab es leider einen herben Rückschlag bei der Moson-Donau-Variante, auf die seit Jahren alle Hoffnung gesetzt wurde.

Wir Menschen, die hier leben, sehen mit Sorge, dass es bei dem Vorhaben Donauzuleitung seit Jahrzehnten kaum sichtbare Fortschritte gibt. Es könnte noch weitere Jahrzehnte benötigen oder im letzten Moment gänzlich verhindert werden. Auch hilft es nicht weiter, wenn sich Naturschutzorganisationen systematisch gegen diese Lösung aussprechen. Die Gegenargumente sind für mich nicht nachvollziehbar. Sind Nachteile, die man nur mit der Lupe findet, wichtiger als systematisches Fischsterben und dass riesige Vogelpopulationen weder Brutplatz noch Nahrung finden?

Sich nur auf eine Lösung zu konzentrieren, die möglicherweise viel zu spät kommt, wäre zu riskant. Die Vorlaufzeiten sind viel länger als die Verdunstung voranschreiten könnte. Immerhin gilt es ein Welterbe zu erhalten.

Daher versuche ich zusätzliche Lösungen zur Absichern der Wasserbilanz zusammenzutragen, um sie der Allgemeinheit und den Verantwortlichen zur Verfügung zu stellen. Dies passiert aus privater Initiative heraus, ohne finanziellem Interesse und ist ergänzend zu den offiziellen Bemühungen zu sehen.

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken für alle konstruktiven Gespräche mit Experten, Wissenschaftlern und Personen, die ihre jahrzehntelange Erfahrung mit See und Schilf teilten.

Folgende Lösungen wären deutlich rascher umsetzbar, sind reversibel und als Alternative oder zusätzliche Maßnahmen denkbar:

a)  Renaturierung des viel zu groß gewordenen Schilfgürtels: extreme Verdunstung verringern

Das Schilf ist wichtig für die Wasserqualität und als Brutplatz für Vögel.

Allerdings verbraucht es viel mehr Wasser als alle anderen Pflanzen, und verdunstet ein Vielfaches mehr als die reine Wasseroberfläche. Vor dem menschlichen Eingriff waren die Schilfflächen deutlich kleiner.

Hier hätte neben dem Schilf-Management ein systematisch durchgeführtes Verdunstungs-management riesiges Potential. Allerdings muss dieses Umdenken erst stattfinden.

Braucht der See in Zeiten des Klimawandels wirklich 180 Millionen Quadratmeter Schilf?

Ein Reduzieren von ca. 5000 Ha Schilffläche könnte bis 10 cm weniger Verdunstung pro Jahr bedeuten und den Neusiedlersee näher an seinen ursprünglichen Zustand bringen. Diese Renaturierung wäre ein wichtiger Schritt. Es müssen jedoch Methoden angewendet werden, bei denen das Schilf nur langsam bzw. in geringer Dichte nachwächst! Die riesigen Flächen Altschilf sind als Brutplätze nicht mehr interessant, tragen aber stark zur Verdunstung bei.

Realisierbare Möglichkeiten dazu sind in dem PDF file bzw  hier zu finden.

b) durch Sturmfluten verursachte Wasserverluste verringern 

Bei Wind verfrachten sich immer wieder große Wassermassen in ausgetrocknete Schilfbereiche und gehen mitunter verloren. Das genaue Ausmaß ist unbekannt.

Besonders über die Illmitzer und Mörbischer Seeenge strömen bei Windereignissen mehrere Millionen m³ in den Süden und es ist unklar, ob diese Menge auch wieder zurückkehrt. Dort könnte man mit einer Strömungsbremse wirksam Wasserverluste vermeiden. Um diese Windverfrachtungen besser zu verstehen, habe ich eine spezielle Big-Data Software schreiben lassen. Daten- Analysten, die damit arbeiten möchten, sind herzlich willkommen.

Illmitz-seeenge
Karte: openstreetmap.org

 

c) Renaturierung: natürliche Zuflüsse wieder verfügbar machen

Vor 1900 gehörten die Bäche Ikva, Kardos-ér zum Einzugsberich des Hanságs und damit auch zum Neusiedlersee. Seit Bau des Einserkanals fließen diese ungenutzt weg. Es geht um beachtliche Wassermassen (1- 1,5m³/s oder 30-45 Mio m³ /Jahr), die aus dem Einzugsbereich abgeleitet werden.

Der Einserkanal hat zwischen dem Wehr bei Mexikopuszta und der Einmündung der Ikva fast kein Gefälle und könnte einfach umgedreht werden. Das Wasser der Ikva und Kardos könnte im Kanal zurückgehalten und einer provisorischen Pumpe in den See gehoben werden. Damit könnte man weitere 10 cm Pegel pro Jahr gewinnen. Allerdings nur temporär, wenn der Wasserstand des Sees extrem niedrig ist. Die Ikva und Kardos wieder in den See zu leiten wäre eine Renaturierung, denn sie gehörten sein Jahrtausenden zum Hanság System. Verschiedene Lösungen die Wasserqualität dieser Bäche zu verbessern wären noch zu prüfen: zB Nutzen der natürlichen Filterwirkung des Schilfgürtels

Details dazu sind in dem PDF file oder hier zu finden. 

Ich möchte unsere ungarischen Nachbarn bitten, zumindest im Winter das Wasser der Ikva für unseren Neusiedlersee zu Verfügung zu stellen.  

Karte: openstreetmap.org

 

In diesem „Notfallplan Neusiedlersee“ habe ich mit Wissensstand Ende 2022 versucht rasche Maßnahmen zu beschreiben: 

Weiterführende und neuere info zu diesem Dokument finden Sie auf den Unterseiten:

Verdunstung


Einserkanal

 
 

Resolution Podersdorf, Weiden, Jois, Rust

Autor: Ing. Herbert Siegmund, Podersdorf (als Privatperson in Eigeninitiative)

eMail:

Auch wenn sich der Neusiedlersee durch das Regenwunder 2023 erholt hat, müssen Maßnahmen zum Absichern der Wasserbilanz rechtzeitig vorbereitet und betriebsbereit gemacht werden.

Weiterführende Links:

Die sehr gut recherchierte „am Schauplatz“ Doku: „Jeder Zentimeter zählt, der drohende Tod des Neusiedlersees“ von Alfred Schwarzenberger: https://www.youtube.com/watch?v=ukjbW52yH9g

Die Meinung von Medizinern zur drohenden Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung rund um den Neusiedlersee, wenn bei einer totalen Austrocknung Feinstaubstürme auftreten, siehe: https://www.krone.at/2959059 

 

ungarische Übersetzung: Magyar fordítás

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